1_Hot Pants, Hirtenteppich und Hitparade
2_Discomania
3_The Hustle
4_Von der "Discotheque" zur "Discomania"
5_U Should Be Dancing

1_Hot Pants, Hirtenteppich und Hitparade

Bieder, aufbegehrend, wild: Wenn man die Nachkriegsjahrzehnte mit einem Etikett versehen müsste, dann könnte man es mit diesen versuchen. Brav und betulich waren die Fifties, bescherten sie der Welt auch Pille und Barbie. Schon bissiger die aufgeblasenen Sixties. Mit Minirock, kohlschwarzem Lid und per Silikonpolster ausgewiesener Weiblichkeit schritt die moderne Amazone ins Gefecht und ging doch den Herren der Schöpfung auf den Leim wie gehabt.
Gemeinsam landete man in quietschbunten Ballonsesseln und plüschigen Wohnlandschaften wie aus dem Science Fiction-Film. Manche nannten das Existenzialismus.

Die Seventies gaben sich dagegen exhibitionistisch bis zum Gehtnichtmehr. Sie waren das Zeitalter eines so unbändigen wie übermütig artikulierten Freiheitsdrangs. Die antiautoritäre Erziehung setzte sich durch, und die Barrikaden zwischen den Geschlechtern fielen wie die textilen Hüllen bei Rockfestivals: Ruckzuck.
Die alte Ordnung zerbarst, und ein Kapitel fiebrigen Ringens um Emanzipation auf allen Ebenen brach an. Der Feminismus kam nach Europa und der Ausdruck "Sorry, I'm a Lady" wurde von immer weniger Damen benutzt.
Auf den Tanzflächen wogte der kollektive Glückstaumel. Die Vergnügungshungrigen fanden sich ein in Discos und Tanzclubs, ‚boogied their nights away' und fragten nicht lang nach den Folgen kurzer Verliebtheit. Der Spaß-Faktor wurde noch nicht durch Aids-Angst gedrosselt. Sex war sorglos, Drogenkonsum nichts Besonderes: Hippe Musik elektrisierte die Gemüter überdies und katapultierte die Disco-Dancer in grelle Phantasiewelten. Leidenschaftlich lebten sie ihre Lust aus, genossen den Exzess und ihren erhöhten Adrenalinspiegel. Zwar trennten sich die Beatles und Elvis Presley starb, aber dafür war von Abba bis Zappa alles klar im Glitzertempel. Das Lebensgefühl war Pop pur, und durch die Metropolen flatterten Paradiesvögel.

Hat man je ein Jahrzehnt erlebt, das seine Extravaganz schriller in Szene setzte? Die "Ich-Dekade" nannte es der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe treffend. "Alles Party" war die Parole. Doch wie die Dauerekstase verkraften? Die ersten machten sich bereits Gedanken über geistige und physische Fitness. Jogging, Zen und die Naturmedizin kamen in Mode.

Umweltschutz wurde groß geschrieben und das Unterbewusste ebenso. Woody Allen drehte seine besten Filme, und es durfte öffentlich psychologisiert werden.
Grübeleien über gesellschaftliche Konfliktfelder und individuelle Krisen gehörten zum guten Ton und lagen im Trend.
Regisseure wie Francis Ford Coppola und Martin Scorsese gewannen die Gunst des Publikums und Jack Nicholson den Oscar für Einer flog über das Kuckucksnest. Hollywood wurde wesentlicher.

Die Selbstdarstellung gelang mit vielen Mitteln. Brigitte Bardot entdeckte den Tierschutz und die internationale Kinogemeinde die Reisorgie der Rocky Horror Picture Show. Reichstagsverpacker Christo bedeckte eine ganze Bucht mit Plastik, und Andy Warhol malte Mao. Die Punk-Kultur zog internationale Kreise.
Kleidungsgemäß gab es klar unterschiedliche Haltungen, aber keine Vorschriften. Alles war erlaubt. Kordsamtjacken plus Häkelmütze, Armeeanorak und Disco-Look. Hüftbetonte Flatterhosen und Body-Shirt contra Undefinierbares vom Woolworth-Wühltisch und Schlotterjeans. Glitzer und knisternde Kunstfaser mit Blumendruck standen gegen stumpfes tarnkappengrün und uniformes Outfit. In der Couture debütierten Underwear-King Calvin Klein und Lederlady Vivienne Westwood. Fashion war Fun.

Modebewusste Burschen protzten mit aufgeschlagenen Manschetten, abenteuerlichen Hemdkragen und großgemustertem Halstuch, die Girls hatten die ganz freie Wahl. Po oder Bein zeigen, kurz oder lang, Pelz oder Punkfrisur? Egal. Ob Hot Pants oder Glockenrock, Latzhose mit Rippenpulli drunter oder Batikfummel im Indiadesign mit aufgenähten Spiegelaugen und afghanischer Felljacke drüber - Hauptsache ausgefallen.
In den Tanzstudios, die mit einem Mal an jeder Ecke eröffneten, bewegte man sich derweil gymnastisch korrekt. Weder auf Korksohlen noch in Jesus-Sandalen. Mit dem Smile-Button war man freilich immer richtig angezogen.
Daheim mochte man es bodenständig und gemütlich bebildert. Fototapete und so. Vor solchem Hintergrund gediehen Halluzinationen auf Hirtenteppichen eben besonders gut. Daneben waren Schleiflackmöbel der letzte Schrei, und monströse Wasserbetten blähten sich auf engstem Raum. Sogar die Aussteiger auf den Hausbooten im kalifornischen Sausalito hatten welche. Wenn schon unbequem, dann wenigstens mit einer Vision im Nacken. Dazu passten Peanuts und Pantoffelkino. Neuerdings in Farbe zu empfangen. Unterdessen ging es dem Tenor, der aus dem Äther kam, an den Kragen: "Video killed the Radio Star".
Nicht so Dieter Thomas Heck. Wer den satt hatte, griff erst zur Hörzu, um nachzusehen, wann Dalli Dalli kam, und dann zu einer weiteren Weinbrandbohne. Da war man gerade auf den Geschmack gekommen, den die Süßwarenindustrie auskristallisiert hatte. Richtig zu beißen gab es natürlich auch etwas. Nunmehr kamen die Freunde der schnellen Küche auf ihre Kosten: Fast Food-Fans schoben einen Hot Dog in die Mikrowelle - oder besuchten gleich McDonald's.
So verlief die Woche. Ohne übertriebene Extravaganzen. Dann aber ging es endlich ab. Im Rausch der Samstagnacht. Beim Beat-Zeremoniell auf dem Dance-Floor. Beim Saturday Night Fever.
Wobei sich zeigte: Disco ist weit mehr als ein Tanzstil. Ein Lebensgefühl!

2_Discomania

Von Mark Jacobson
Bevor Disco out war, bevor es zu Studio 54 und Dance Fever Denny Terrios kam, war Disco in den heißen Clubs groß in Mode. Gerade als die Welle begann, vom Mainstream anerkannt zu werden, beauftragte Crawdaddy Mark Jacobson (heute ein erfolgreicher Novellist) die Szene zu beschreiben, die ein paar Jahre später durch Saturday Night Fever unsterblich werden sollte.
(...) Die meisten Discos fanden in Fabriketagen und aufgegebenen Restaurants statt. Es war nicht ungewöhnlich, um vier Uhr morgens durch eine verlassene Straße in einem Lagerhausbezirk zu fahren und in Dreierreihen geparkte Autos zu entdecken. Viele Discos etablierten sich als Privatclubs, die ausschließlich Mitglieder zuließen, was diese natürlich noch begehrenswerter machte. Clubs bekamen kurzlebige, mysteriöse Namen wie Liquid Smoke, The Cobra, The Jungle und Sanctuary. Es war das völlige Gegenteil der weißen-hippie-mäßigen-sonnendurchfluteten Großevent-Form von Entertainment, das in Massenveranstaltungen wie Woodstock und Altamount gipfelte. Das war Entertainment für die Unscheinbaren; es war urban, beinhart und sehr ursprünglich.

(...) Hinter diesen Portalen entwickelte sich eine völlig neue Art des ‚Plattenspielens' an sich. Zwei Plattenspieler wurden gebraucht, damit der Discjockey, der DeeJay [DJ], der dem Begriff entsprechend zum größten Künstler der Siebziger Jahre werden sollte, ein Stück in das andere überblenden konnte, und die Musik niemals aufhörte. Sie lief ständig und überrumpelte die Sinne total; sie ließ keine Zeit zu denken, sie war permanente Stimulans.
Die Soundsysteme waren unglaublich - laut, blechern und unter dem Kommando des allmächtigen DJs. Er arrangierte die Musik, die er aus der Schwemme verfügbarer Schallplatten aussuchte, zu sich in die Höhe windenden ‚Sets', die in besonders intensiven Songs ihren Höhepunkt, erreichten. Der DJ ordnete diese ‚Höhepunkte' so, wie er es wollte, mit jeder Platte, die ihn antörnte. Seine einzige Verantwortung bestand darin, die Tanzenden aufzuputschen. Das war seine Kunst und die ganze Idee der Undergrounddisco.

‚The Loft', das in einer engen Fabrikdurchfahrt am Lower Broadway in New York jeden Samstag, und ausschließlich samstags (und nur nach Mitternacht) öffnete, war die größte Undergrounddisco. David Mancuso, dem das Loft im zweiten Stock gehörte und der auch dort wohnte, wusste wirklich, wie man eine Party schmiss. Wenn man das Glück hatte, an den zerberus-ähnlichen Türstehern vorbeizukommen, fand man drinnen eine urbane Vorstellung vom Himmel. Jede nur vorstellbare ethnische und soziale Gruppe war in der Szene vertreten. Leute, die einen in der U-Bahn zu Tode erschreckt hätten, Leute, über die man sich in der U-Bahn totgelacht hätte - sie alle waren da und tanzten wie verrückt zur gleichen Musik und - lachten. Kahl geschorene schwarze Kerle von furchterregender Wesensart, dürre Frauen mit großen Hüten, verrückte Glitter-Göttinnen, sogar Burschen, die Anzüge trugen. Es waren eine Million verschiedene Trips, die zum gleichen Beat pulsierten. Und es war phantastisch, die religiöseste Erfahrung, die man möglicherweise in einer Kleiderfabrik haben konnte.David, der nicht nur Besitzer, sondern auch DJ der Disco war, saß in seinem Kabuff und schwelgte in dem, was er aus dem Boden gestampft hatte. Jede Samstagnacht war er ein Guru, und selbst seine abgebrühtesten Gäste sprachen in verhaltenen und respektvollen Tönen von ihm.

Vielleicht war alles ein wenig zu quecksilbrig, um zu überleben. Während die Legende des Lofts wuchs, spielten sich am Eingang hässliche Szenen ab, und die Tanzfläche wurde wahnsinnig vollgestopft. Die Nachbarn beschwerten sich aus Angst über die sich senkenden Decken in ihren Apartments und ließen die Disco schließen. Es bestand zwar ein wenig Hoffnung, dass David vielleicht woanders wieder eröffnete, aber das hat er nicht getan. Die Schließung von ‚The Loft' und mehrerer ähnlicher Örtlichkeiten nahm der Underground-Discoszene den größten Teil der Seele.

Einige auffallende Fakten blieben jedoch: Zum einen ist Disco handfestes Rezessions-Entertainment. Das Rechenexempel ist einfach: Die Konzert- und Clubszenen waren tot. Die Künstler, total größenwahnsinnig von der ganzen übertriebenen Promotion und von den - Ende der Sechziger bis Anfang der Siebziger Jahre genommenen - enormen Eintrittspreisen, hatten sich selbst vom Markt katapultiert. Weil die meisten großen Gruppen auf hohe Garantien bestanden, mussten die Veranstalter die größten Gebäude anmieten, um überhaupt einen Profit zu machen. Alles wurde zu einem einzigen großen Ärgernis.
Es wurde offensichtlich, dass ein gewitzter Veranstalter ein Jahr lang eine Discothek mit dem gleichen Kapital eröffnen und führen konnte, das er brauchte, um zwei oder drei größere Konzerte zu veranstalten. Die Eröffnungsausgaben für eine Disco waren gering. Selbst die verschwenderisch ausgestatteten kosteten unter 100.000 $. Die Undergrounddiscos begannen mit weniger als 25.000 $. Die laufenden Kosten waren minimal, weil keine Künstlergagen zu zahlen waren. Bis vor kurzem betrug der durchschnittliche Verdienst der DJs pro Nacht 35 $. Und sie bringen ihre eigenen Platten mit.

Es ist kein Problem, Gäste anzulocken. Leute mit knappen Finanzen sind nicht mehr blindlings bereit, 10 oder 15 $ hinzulegen, um eine Gruppe in einem Konzert zu sehen. Discoeintritte kosten in der Regel weniger als 5 $. Und die Party ist nicht nach 45 Minuten zu Ende; sie dauert die ganze Nacht.


3
_The Hustle

Ursprünglich ein unspektakulärer Song von Van McCoy - wurde zum Synonym für die Massenmusik, die Tanzmusik der 70er Jahre. Fönfrisur, Plateausohlen, schwingende Röcke, taillierte Anzüge - ein perfektes Bild für die perfekte Unterhaltung. Tanzen konnte jeder, da gab es keine Klassenunterschiede, jeder hatte die Chance, für einen Abend Disco-Queen oder -King zu sein, er musste nur tanzen können und ein perfektes Bild abgeben. Sexappeal war wieder in. Ein Abend in der Disco war wie ein Besuch auf einer Riesenparty. Ein wenig Eintritt, einen Drink, sehen und gesehen werden, tanzen und beeindrucken. Tanzstudios wurden zahllos aus dem Boden gestampft. Bis zur Perfektion trainieren, hieß es, perfekte Haltung, keine Fauxpas.

Discomusik entstand aus der Soulmusik und dem Motown Sound der späten 60er Jahre. Isaak Hayes, Ike und Tina Turner, James Brown, Sam Cooke, Sly & The Family Stone - Tanzmusik, Körpermusik, wild und ekstatisch, unpolitisch und überhaupt nicht progressiv.

"Do the hustle" hieß es. Das Rock-Business wurde immer mächtiger; von der Plattenindustrie gesteuert, wurden Rockkonzerte in großen Stadien veranstaltet. Sly & The Family Stone und Barry White waren out. Während das Gros der Teenager die Arena stürmte, passierte in den Nachtclubs der Schwarzen, Latinos und Schwulen von New York und San Francisco etwas ganz Anderes. Viele Menschen waren nicht interessiert, bei Rockkonzerten winzige Popstars auf Riesenbühnen zu hören. Sie wollten selbst die Show gestalten und vor allem auch im Mittelpunkt stehen.

"I'm a Latino" stand auf vielen T-Shirts der jungen Amerikaner oder "Black is beautiful". Minoritäten pochten stolz auf ihre Herkunft und auf ihren Status, Amerikaner zu sein. Dancing Queen, Disco Lady, The Hustle, The Temptations, Love To Love You Baby oder I Will Survive boten den perfekten Soundtrack für die hedonistische Dekade, in der 1976 das zweihundertjährige Bestehen der Vereinigten Staaten gefeiert wurde. Da waren plötzlich Rhythmen, die zum Tanzen anregten. In der Anonymität der Riesentanzfläche tobte man sich aus. Es war nicht wichtig, jemanden zu treffen, um sich zu unterhalten. Besonders aufzufallen, weil man schöner war als viele andere oder weil man besser tanzte, war das Wichtigste.

Discomusik aus den USA gab den Standard vor, bald breitete sich die Welle nach Europa aus. Boney M. war 1978 mit Daddy Cool die erfolgreichste Band Englands, der erste deutsche Discosong Fly Robin Fly von Silver Convention entstand 1975 und machte in Amerika Furore. Amanda Lear, Penny McLean, Baccara mit Sorry I'm A Lady, Patrick Hernandez und Born To Be Alive - erst langsam erwärmte sich die Plattenindustrie für diese Strömung und nach dem Erscheinen des Soundtracks von Saturday Night Fever gab sie einer nicht mehr aufzuhaltenden Musikentwicklung nach. Saturday Night Fever war das Synonym für eine Entwicklung von 1971 bis 1978 und gleichzeitig ihr Höhepunkt geworden. Der Glitzerpop hatte sich durchgesetzt und bereitete den Boden für alle nachfolgenden Strömungen, die sich als "Dance Floor Music" in die 80er Jahre weiter entwickelten.

In der Zwischenzeit waren zahllose Discotheken eröffnet worden, und am Ende der Dekade verzeichnete die Industrie insgesamt einen Gewinn von vier Billionen Dollar. 1979 erschien The Disco Handbook. Als Prognose für das Boogying der Zukunft wurde die Disco der 90er beschrieben, in der die Tänzer vor überdimensionalen Videowänden tanzen würden. "Do the hustle" in der afrikanischen Steppe und in jeder beliebigen Phantasielandschaft, tanzen in unendlicher Umgebung...


4
_Von der "Discotheque" zur "Discomania"

von David Ritz
(...) Rom, Winter 1967. Meine Verlobte und ich lebten im Schatten der römischen Ruinen auf einer Kopfsteinpflasterstraße, die Via Baccina hieß. Während eines mitternächtlichen Heimwegs erlebte ich eine Zeitreise in die Vergangenheit. Ich fühlte, dass ich mich im Herzen des alten römischen Reiches befand. Plötzlich wurde diese Stimmung unterbrochen durch den Lärm eines Boogies, der von unten zu mir drang. Der Groove war heiß, die Bässe dröhnten. Ich sah mich um, konnte die Quelle des Krachs aber nicht entdecken. Ich folgte dem Beat, bis er zu einem Kellerfenster lockte. Jetzt drang die Musik direkt in meine Ohren: eine Aufnahme von Gladys Knight & the Pips mit I Heard It Through The Grapevine. Ich blickte durch das Fenster und sah einen kleinen Raum, angefüllt mit Tänzern, die sich, durchnässt von Schweiß, Arsch an Arsch, rasend, ekstatisch bewegten. Der Ort roch nach Exklusivität; die Feiernden waren elegant gekleidet.

Irgendjemand warf einen Eimer Wasser auf sie, was sie dankbar kreischend begrüßten. Die Ausgelassenheit war unwiderstehlich. Als einer der Tanzenden auf die Straße trat, fragte ich ihn, was das für eine Art Lokal sei. "Una discoteca", antwortete er. Als ich versuchte einzutreten, wurde ich von irgendeinem Türsteher zurückgehalten. Willkommen in der Disco-Ära. (...)

Die Tatsache, dass Disco einen Ort beschreibt, erklärt auch, warum die Musik visuell ist, warum wir sie ebenso klar sehen wie hören. Hör' Barry Whites Love Unlimited Orchestra Love's Theme spielen und wahrscheinlich werden Szenen in Dir hochsteigen wie meine in Rom. White selbst erklärte das ein paar Jahre zuvor: "Disco war wunderschön", erzählte er mir, "weil es den Verbraucher wunderschön erscheinen ließ. Der Konsument war der Star. Disco handelte von Eleganz. Der Konsument war superelegant, und so wollte ich auch die Musik. Die eleganten Leute wollten zu eleganter Musik tanzen."

Diese Zeichen von Idealismus in Maestro Whites Beschreibung ist besonders aufschlussreich: Disco war schließlich der am meisten idealisierte Ausdruck unserer Popkultur. Disco ersetzte die antimaterialistische Haltung der Hippies durch die hypermaterialistische Haltung des Show-Business. Sly (Sly & The Family Stone) sagte es zuerst: "Jeder ist ein Star", und Stars sterben niemals. Der Tanz endet niemals: Es existieren nur wunderschöne Tänzer, die sich selbst auf der Tanzfläche in Raserei tanzten, wo Realität und sogar (oder gerade) der Tod ausgeblendet werden durch das Bewusstsein einer immerwährenden Party.

Anflüge von romantischen Phantasievorstellungen auf der Tanzfläche gehen zurück auf die Zeit des Jazz der Zwanziger als eine Befreiung, veranschaulicht durch den Charleston, die auch ausgedrückt wurde durch den Kick. Der große Unterschied war natürlich der, dass die, die in den schicken Discos der Siebziger kickten, Schwarze und Schwule einschlossen. Gruppen am Rande der Gesellschaft tanzten sich ihren Weg in das Mainstream-Establishment hinein. Begleitet wurden sie von geilen Medien, die wie läufige Hunde hinter ihnen her waren. Am deutlichsten kam dieser Mainstream 1977 mit dem phänomenalen Erfolg des Films Saturday Night Fever zum Ausdruck; das Thema und der Soundtrack waren dem Thema Disco gewidmet. Der Unterschied hier war, dass unser Discoheld weder schwul noch schwarz war: Er war John Travolta, der Tony Manero spielte, einen weißen Jungen der Arbeiterklasse aus Brooklyn. Die Botschaft war klar: "Richtige" Männer gehen auch in die Disco. Dank des Charmes von Travoltas Vorstellung und der Unwiderstehlichkeit der legendären Bee Gees-Songs war Disco plötzlich so amerikanisch wie Mickey Mouse.

(...) Man sagt, dass Disco gestorben sei, aber das würde ich so nicht sehen. Disco-Songs, mit Disco-Groove und Disco-Lyrik, liegen immer noch in der Luft. Radiostationen, die ausschließlich Disco-Musik bringen, florieren auf den großen Märkten. Und der Rap, beginnend mit Rapper´s Delight der Sugar Hill Gang (die sich auf den Groove von Chics Good Times stützte), lieh sich die Energie von Disco und Rhythmus von Anfang an.

Die Zeit der Disco lief ab, aber Disco an sich wurde umgemodelt in ein halbes Dutzend anderer Genres - House und Hip-Hop, Trip-Hop, und, am nahe liegendsten, in reinen Pop - so sicher wie Disco Anleihen von der Vergangenheit unserer Popkultur zu infiltrieren. Disco tat ihren Dienst: Es machte Tänzer glücklich. Und Disco machte die Nation aufmerksam auf die Feiernden und Nachtschwärmer, die früher von der nationalen Party ausgeschlossen waren. Diese Party wurde permanent vergrößert - nicht zuletzt dank des überzeugenden Charmes einer Musik, die geschürt wurde von der Leidenschaft des menschlichen Geistes zu singen, sich emporzuheben und unsere Sorgen hinwegzutanzen.


5
_U Should Be Dancing

Der einzigartige Andy Warhol, jede Menge Elvis-Imitatoren, die bekicherte Schlaghose, Knautschlackjacken und Hymnen auf das Freiheitsgefühl jener Tage. Kein Zweifel: Die siebziger Jahre sind angesagt, und das Revival ist in vollem Gange. Discofilme füllen die Kinos. Ausstellungen betrachten die Kunst der Epoche. Die Medien stürzen sich ins knisternde Polyestertreiben. Bedurfte es noch eines weiteren Beweises? Hier ist er: Das Musical Saturday Night Fever bringt die Glitzerwelt, die Teenagerträume und das Tanzfieber der ‚Seventies' zurück. Live.
Saturday Night Fever wurde zur Ikone der westlichen Welt. Der gleichnamige Film ist ein Symbol für die siebziger Jahre. Die Filmsongs der Bee Gees beherrschten 1977 die internationalen Charts, und Hollywoods Supertänzer John Travolta wurde in der Rolle des Brooklyner Vorstadtjungen Tony Manero über Nacht zum Weltstar. Zum Idol einer ganzen Generation: 1999 kam der gefeierte Filmtitel erstmals als Tanzmusical auf eine deutsche Bühne - in den Kölner Musical Dome - und geht jetzt auf Tournee!
Saturday Night Fever schürt das Party-Fieber. Die Disco-Dekade erblüht neu. Das Charisma der Tanzpaläste. In ihnen konzentrierte sich alles Wünschen auf rauschende Nächte, in denen soziokulturelle Differenzen verblassten: Wer sich zu Hause unverstanden fühlte, erstarkte am heiß herbeigesehnten Samstagabend in den blinkenden Tanzschuppen zum Helden für einige aufwühlende Stunden. Vorausgesetzt, das Outfit stimmte. Äußerlich musste man mitunter schon ein wenig nachhelfen, um im Dorado der blitzenden Spiegelkugeln, der regenbogenfarbigen Neon- und Nabelorgien eine Nummer zu sein.
Das galt freilich für beide Geschlechter, boys and girls.
Körperbetont war die Mode, großgemustert die Hemden und flatterhaft die Hosen. Oben knalleng und unten abenteuerlich weit, machten sie die wildesten Bewegungen mit: Die Erotik der Hüfthosen mit Schlag bewies sich auf dem Tanzparkett. Und auf den ebenso fashionablen wie mörderischen Plateausohlen ließ es sich prächtiger als gedacht mit den Hüften kreisen.

Ein atemberaubendes Ensemble zeigt in Saturday Night Fever, wie das geht. Zur Kultmusik der Bee Gees: Noch nie gab es ein Musical mit so vielen Welthits. Die Darsteller beschwören die ekstatischen Stimmungen einer Epoche, die aus heutiger Sicht reichlich utopisch anmutet: Es ist die Zeit des sorglosen Sex und der ausschweifenden Vergnügungen.

So wird es nie wieder. Aber Saturday Night Fever katapultiert die Menschen noch einmal in jene Ära, in der das kollektive Glück machbar schien - zumindest samstagnachts in der Disco.

Rasante Choreographien, hypnotisierende Rhythmen und die Flut von Nummer Eins-Hits der Bee Gees machen das Tanzmusical zu einer Bühnenshow der Extraklasse - allerdings mit unvorhersehbaren Nebenwirkungen.
Geht doch der Disco-Beat der Bee Gees nicht nur den Akteuren von Saturday Night Fever, sondern auch den Zuschauern in die Beine.



 © TKS Ticket-Service und Veranstaltungen GmbH. All rights reserved. | Impressum | Sitemap |

 Für die optimale Darstellung der Site benötigen Sie das aktuelle >>FLASH PLUGIN<<
 Falls Sie dieses noch nicht installiert haben können sie es hier downloaden.